ADHS und ADS werden oft auf äußere Symptome reduziert – Unruhe, Unaufmerksamkeit, Impulsivität. Doch was viele übersehen: Die größte Belastung spielt sich oft im Inneren der Betroffenen ab. Es ist ein ständiger Kampf mit sich selbst – begleitet von Scham, Selbstzweifeln und einer tiefen Erschöpfung, die kaum jemand sieht.
🌀 Emotionale Belastung: Scham, Selbstzweifel, Überforderung
Viele Betroffene wachsen mit dem Gefühl auf, „nicht richtig“ zu sein.
Von klein auf hören sie Sätze wie:
„Reiß dich zusammen.“
„Du bist faul.“
„Konzentrier dich doch mal!“
Diese Botschaften graben sich tief ein. Sie erzeugen Scham – das Gefühl, im Kern falsch zu sein. Daraus entsteht häufig ein chronischer Selbstzweifel:
„Warum krieg ich das nicht hin, was für andere selbstverständlich ist?“
Die Überforderung wird zur täglichen Begleiterin: Termine, Deadlines, soziale Erwartungen – alles scheint mehr Energie zu kosten als bei anderen. Das kann zu Rückzug oder Überanpassung führen – beides Strategien, die seelisch auslaugen.
🔊 Reizüberflutung und Erschöpfung
Menschen mit ADHS oder ADS nehmen ihre Umwelt oft intensiver wahr. Geräusche, Gedanken, Gefühle – alles prasselt gleichzeitig ein. Diese ständige Reizoffenheit kann wie ein nie endender innerer Sturm wirken.
Viele beschreiben es so:
“Es ist, als würden 20 Radiosender gleichzeitig laufen – und ich kann keinen davon ausschalten.”
Die Folge? Tiefe mentale Erschöpfung. Nicht selten entwickeln sich daraus Depressionen oder Angststörungen – sekundär zu den eigentlichen Symptomen.
🌪️ Das Gefühl des „Andersseins“
Betroffene spüren früh, dass sie anders ticken. Sie denken anders, fühlen intensiver, reagieren sensibler. Doch statt Anerkennung erfahren sie oft Unverständnis.
Dieses Anderssein wird nicht als Stärke, sondern als Schwäche erlebt – besonders in einem leistungsorientierten Umfeld.
Es entsteht ein Gefühl der Isolation:
“Ich bin irgendwie falsch in dieser Welt.”
Dieses innere Fremdheitsgefühl nagt langfristig am Selbstwert.
⚠️ Versagensängste & Angst vor Ablehnung
Durch ständige Kritik und das Scheitern an alltäglichen Dingen (z. B. Ordnung halten, Pünktlichkeit, Organisation) entsteht eine tiefe Angst vor Versagen.
Selbst wenn objektiv gar kein Fehler passiert ist, kreist der Kopf um die Frage:
“Habe ich es wieder vermasselt?”
“Wie komme ich bei den anderen an?”
Diese Angst führt oft zu Vermeidungsverhalten – oder zur Überkompensation durch Perfektionismus, der wiederum noch mehr Druck erzeugt.
💚 Auswirkungen auf Selbstbild und Beziehungen
All diese inneren Erfahrungen formen ein fragiles Selbstbild.
Viele Betroffene glauben tief in sich:
“Ich bin nicht genug.”
“Ich bin anstrengend.”
“Ich bin eine Belastung.”
In Beziehungen zeigt sich das auf unterschiedliche Weise:
- Rückzug aus Angst, sich zu zeigen
- Übermäßige Anpassung, um nicht „aufzufallen“
- Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen
Explosive emotionale Reaktionen, wenn innere Spannungen sich entladen.
🧠 Innere Kritik & das Umfeld als seelischer Verstärker
Ein besonders schmerzhafter Aspekt: Die innere Stimme wird zum Feind. Ein innerer Kritiker entsteht – oft geprägt durch viele Jahre negativer Rückmeldungen aus Schule, Familie oder Beruf.
Dieser Kritiker sagt:
“Du bist zu langsam.”
“Du störst nur.”
“Reiß dich zusammen.”
Und oft übernimmt das soziale Umfeld diesen inneren Ton: durch Ungeduld, Entwertung, oder gut gemeinte, aber verletzende Ratschläge.
Die Folge: Eine tiefe seelische Wunde, die selten als solche erkannt wird. Nicht selten beginnt Heilung erst, wenn die psychische Seite von ADHS/ADS ernst genommen wird – nicht als Defizit, sondern als Einladung zur Selbstannahme.
Übergang/Überleitung:
“Und genau hier wollen wir tiefer hinschauen: Wie kann man lernen, sich mit diesen inneren Prozessen zu versöhnen? Und was braucht es, damit die Seele nicht nur überlebt, sondern heilen und wachsen darf?” Versöhnung mit den inneren Prozessen – Was die Seele wirklich braucht
Und genau hier wollen wir tiefer hinschauen:
Wie kann man lernen, sich mit diesen inneren Prozessen zu versöhnen?
Und was braucht es, damit die Seele nicht nur überlebt, sondern heilen und wachsen darf?
Zuerst einmal: Heilung beginnt mit Verständnis – nicht mit Veränderung.
Viele Betroffene haben ihr Leben lang versucht, “besser zu funktionieren”. Doch was sie oft wirklich brauchen, ist Verständnis für sich selbst, so wie sie sind – mit ihren Gedankenfluten, Gefühlsintensitäten und Eigenheiten.
🧡 1. Selbstmitgefühl statt Selbstverurteilung
Die Stimme im Kopf, die jahrelang kritisiert hat, darf weicher werden.
Statt zu fragen:
„Warum bin ich so?“
darf die Frage lauten:
„Was brauche ich gerade, damit es mir gut geht?“
Selbstmitgefühl ist kein Ausweichen – es ist der erste mutige Schritt zur inneren Sicherheit.
🌿 2. Raum für Emotionen schaffen
Viele Gefühle wurden lange unterdrückt – aus Angst, „zu viel“ zu sein. Doch unterdrückte Emotionen heilen nicht. Sie stauen sich.
Die Seele braucht sichere Räume, in denen Gefühle ausgedrückt, gehalten und verstanden werden dürfen – ohne Bewertung.
Das kann in einem therapeutischen Rahmen geschehen, aber auch im Alltag:
- durch Schreiben,
- durch bewusstes Innehalten,
- durch Gespräche mit Menschen, die wirklich zuhören.
🌱 3. Die eigene Geschichte umschreiben
Oft tragen Menschen mit ADHS/ADS ein Narrativ in sich:
„Ich bin zu kompliziert.“
Doch was wäre, wenn die Geschichte neu erzählt werden darf?
Als eine Geschichte von Überleben, Anpassung, Kreativität und Resilienz?
Sich mit der eigenen Biografie versöhnen heißt nicht, das Leid zu leugnen – sondern es einzuordnen und sich selbst darin mit Mitgefühl zu begegnen.
🌟 4. Ressourcen stärken
Kleine Schritte, große Wirkung
Heilung braucht keine großen Durchbrüche. Sie zeigt sich oft in kleinen Momenten:
- Wenn man sich selbst nicht mehr für einen Fehler verurteilt.
- Wenn man erkennt: “Ich darf Pausen machen.”
- Wenn man sich Unterstützung holt, ohne sich dafür zu schämen.
Es geht nicht um Perfektion. Es geht um Verbindung – mit sich selbst.
Abschließende Worte zu diesem Teil:
Vielleicht ist genau das der Schlüssel: Nicht gegen sich zu kämpfen, sondern mit sich Freundschaft zu schließen.
ADHS/ADS bedeutet nicht, dass die Seele beschädigt ist – sondern dass sie auf ihre eigene Weise schwingt. Und wenn wir lernen, dieser inneren Melodie zuzuhören, anstatt sie zu übertönen, kann etwas sehr Heilsames entstehen: Ein liebevoller Blick auf das eigene Sein.